Testbericht: adidas miCoach smart run
Testbericht: adidas miCoach smart run
29. April 2015 Henrik
Unser Gastautor Philipp hat sich eine GPS-Uhr zugelegt. Er hat viel recherchiert und ist schließlich bei der adidas miCoach smart run hängengeblieben. Lest in seinem Gastbeitrag über die Erfahrungen mit der Uhr.
Foto: adidas
„Zieh mich an und starte durch“ – der Slogan allein reichte zunächst nicht, mich zu überzeugen, eine Smartrun von adidas für stolze 400 Euro zu kaufen. Zu mir persönlich: ich bin Gelegenheitsläufer und bislang mit einem iPhone am Arm und Musik unterwegs. Genutzt wurden verschiedene Running-Apps wie Nike+ und Runtastic. Insbesondere die letzte App hatte mich immer zufrieden gestellt. Die Funktionsvielfalt auf dem Papier ist super. Warum also weg von einer Handy-App? Die Bedienung am Arm während des Laufens ist unbequem und bedarf viel Konzentration. Die Verkabelung der Kopfhörer kostet Zeit und man hat nie die richtige Kabellänge, so dass die Kopfhörer Halt haben und bequem sitzen.
Mit der Smartrun habe ich als Musikliebhaber die ideale Lösung gefunden. So dachte ich jedenfalls. Musik am Handgelenk mit allen Funktionen, die man sich so vorstellen kann. Darüber hinaus kann die Uhr ohne jegliches Zubehör den Puls direkt am Handgelenk messen. Ich hatte oft überlegt, einen Pulsgurt zu kaufen. Nun habe ich ja alles in einem. Die Uhr bringt einen farbigen Touchscreen und Einknopf-Bedienung mit. WLAN zur Laufdaten- und Musiksynchronisierung und zum Download von adidas Trainingsplänen ist ebenso an Bord wie eine Bluetooth-Schnittstelle zur Kopfhörerkopplung (aber kein Kopfhörereingang). Der Funktionsumfang überzeugte mich, das Geld für so ein Sport-Tool aufzubringen. Zugegeben, die UVP von adidas kann man um 100 Euro unterbieten, wenn man einen Blick bei Amazon oder eBay wagt. Also gekauft.
Für meine geliebte Musik bedurfte es nun noch neuer Bluetooth-Kopfhörer. Zugegebenermaßen bin ich sehr verwöhnt, was guten Klang angeht mit Bose Soundsystem im Auto usw.. Ich entschied mich für die Beats Solo 2 Wireless. Der Klang über die miCoach ist hervorragend. Eine Wohltat für die Ohren. Egal welches Musikformat, ob Flac, MP3, MP4, AAC – sie spielt alles ab. Auch die Bedienung super. Alben, Interpreten, Playlists oder Random-Mix, an der Uhr einfach zum gewünschten Titel/Playlist „wischen“. Um erst einmal Musik aufspielen zu können, kommt man jedoch nicht daran vorbei, seine miCoach bei adidas zu registrieren und sich ein (kostenloses) Benutzerkonto einzurichten. Die WLAN-Einrichtung ist eigentlich simpel, jedoch bei Eingabe eines langen Schlüssels nur mit viel Fingerspitzengefühl zu bewältigen. Überhaupt: für große Finger ist die Uhr grundsätzlich ungeeignet. So ist es praktisch unmöglich, jemals die richtige Auswahltaste zu treffen, da diese sehr schmal gehalten sind. Ein Tablet-Stift kann Abhilfe schaffen.
Foto: adidas
Aber nun auf zum Laufen. Ich liebe es, in Hamburg um die Alster zu laufen. Für mich die schönsten 7,68 Km Deutschlands. Schnellstart ausgewählt. Kopfhörer haben sich in wenigen Sekunden mit der Uhr verbunden und wenige Sekunden später sagt mir die Sprachsteuerung, dass mein Pulsmesser aktiv ist. Ruhepuls bei 70 – kommt hin. Man wähle nun aus einer langen Liste die Trainingsart aus (Running, Walking, Skating, Biking – alles vertreten). Die Uhr ist das erste Mal im Laufbetrieb. Es vergehen 2 Minuten, 5 Minuten. Ich frage mich, ob ich etwas falsch gemacht habe? 10 Minuten vergehen und ich mag es kaum glauben, dass der Coach mir bekannt gibt, dass GPS gefunden wurde und ich das Training durch nochmaliges Drücken der Starttaste beginnen kann. Erstaunt muss ich feststellen, dass das Display nicht die Darstellung auf der Verpackung der Uhr aufweist. Die 7,68 Km wurden exakt gemessen, das Training gespeichert und beendet. Man kann sich sein Training unmittelbar auf der Uhr anschauen (Höhen, Tiefen) und auch mit möglichen bisherigen Trainingseinheiten vergleichen. Toll! Zuhause angekommen, sucht die miCoach das WLAN und synchronisiert sich eigenständig mit der miCoach-Website.
Erster Eindruck: sie macht, was sie soll. Visuell konnte ich bei diesem Training keine aktuelle oder durchschnittliche Pace sehen. Akustisch wurde mir die Pace im 1 Km-Takt (individuell anpassbar) jedoch durchgegeben. Ein Studieren der Enzyklopädie (Anleitung wäre das falsche Wort für dieses umfangreiche Dokument) hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass das Display auf der Website angepasst werden kann. Gemacht, getan. Das war sehr simpel, wenn man weiß wo.
Foto: adidas
Das nächste Training steht an. Zusammen mit meiner Schwester, die zufrieden mit Ihrer Garmin Forerunner 910 XT unterwegs ist. Für eine Triathletin aus ihrer Sicht ein hervorragendes Trainingsgerät. Wenn es nach der Garmin geht: es kann losgehen. Meine miCoach sieht das anders. Pulserkennung ist aktiv. GPS, der Satellit wird geortet. Es vergehen 5 Minuten. Uns wird kalt. Ungelogen, nach knapp 10 Minuten kann es dann endlich losgehen. Die Freude über die vier zuvor am Mac neu programmierten Displayvarianten vertreibt den Frust über die lange Wartezeit bei diesem Training. Der Switch zwischen verschiedenen Displays während des Trainings ist technisch zwar möglich, jedoch mit nur leicht feuchten Hemden zum Scheitern verurteilt. Nach Trainingsende sind die Distanzen laut Garmin und adidas nahezu identisch.
Viele Trainingseinheiten sind mittlerweile vergangen. Und die Uhr hat vom Profil her alles, was sich zumindest mein Läuferherz wünscht. Aber die Umsetzung hapert gewaltig. Außer Pulsmessen konnte sie keine Funktion für mich zufriedenstellend erfüllen:
Musik
Regelmäßig verliert die Uhr die Verbindung zum Kopfhörer. Während dessen laufenden Trainings die beiden Geräte zu verbinden ist praktisch unmöglich. Das bedeutet, Training abbrechen oder ohne Musik weiterlaufen.
Akkulaufzeit
Nach einem Training rund um die Alster muss die Uhr an den Strom. Sie 24 Stunden später wieder zu verwenden, ohne sie vorher geladen zu haben, ist i.d.R. nur noch im sog. Marathonmodus möglich (ohne Musik, ohne Displaybeleuchtung, ohne Sprachcoach). Für Langstreckler mit Sicherheit ein K.O.-Kriterium. Für mich ist dieser Punkt nachrangig zu betrachten. Mein iPhone sucht nach einem Lauf um die Alster auch die Steckdose auf.
Bedienung
Ist grundsätzlich intuitiv. Auch der Menüaufbau ist logisch und verständlich. Den Ansatz mit dem Touchscreen halte ich jedoch für fragwürdig. Man braucht wirklich zierliche Frauenhände, um die richtigen Auswahlfelder zu treffen. Während eines Laufs ist es unmöglich, den nächsten Musiktitel auszuwählen oder gar eine andere Playlist. Feuchtigkeit verhindert die Bedienung der miCoach. Das bedeutet, dass man vor dem Lauf alles programmiert haben muss. Nur was macht man, wenn es dunkel ist und man feuchte Hände hat? Da hilft nur der Sprachcoach. Eine permanente Displaybeleuchtung ließ sich nicht aktivieren (obwohl diese Funktion in den Einstellungen zur Verfügung steht und aktiviert wurde). Da hat das Display meines iPhones gerade im Zusammenspiel mit Feuchtigkeit um Welten besser reagiert.
GPS
Das ist der Punkt, der mich am meisten enttäuscht hat. Im Schnitt länger als fünf Minuten auf GPS zu warten, das ist für mich nicht tragbar. Oft habe ich die Uhr beim Warmup schon in den Startmodus geschickt, damit die GPS-Suche losgehen kann. Die Weinberge Baden Württembergs sind der miCoach offensichtlich noch weniger wohl gesonnen. Hier habe ich selten überhaupt einmal ein GPS-Signal bekommen oder es ist während des Laufs schnell wieder verloren gegangen. Mein iPhone findet hier auf Anhieb GPS.
Software
Je mehr Trainingseinheiten zurückgelegt wurden, desto träger wurde die Software. Die letzten Trainingseinheiten konnten nicht mehr absolviert werden, da die Uhr immer und immer wieder abgestürzt ist (Einfrieren des Bildschirms, Neustarten durch sehr langes Drücken der einzigen Taste). Ein Zurücksetzen der Uhr auf Werkseinstellung und einer Wiedereinrichtung (WLAN-Schlüssel und Benutzerkonto erneut eingeben, Download der Vorkonfiguration von der Website) schafft Abhilfe für kurze Zeit.
Fazit
Nun ging ich davon aus, dass eventuell nur meine Uhr “buggy” ist. Der adidas-Experte auf der Marathon-Messe in Hamburg konnte zu meiner Verwunderung keine Bugs feststellen. Ein Austausch auf Kulanz ist auch nicht erfolgt. Das rundete den Gesamteindruck ab. Mein Urteil: enttäuschend. Absolut keine Kaufempfehlung. 400 Euro sind in andere Sportuhren mit weniger Funktionen und höherer Zuverlässigkeit besser investiert.
29. April 2015
Kategorien:Ausrüstung
Schlagworte:Alster, GPS-Uhr, Hamburg, miCoach, smart run, Test, Testbericht
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